Studentische Tagung Sprachwissenschaft

Klaus von Heusinger, Konstanz


Linguistische Forschung und Militär

Was hat das miteinander zu tun? Haben der Entwurf grammatischer Modelle oder die Untersuchung der Herkunft der Wörter etwas mit der Entwicklung neuer Waffensysteme zu tun?

Tatsache ist, daß seit dem 2. Weltkrieg Gelder aus militärischen Quellen in die linguistische Forschung fließen. Diese Finanzierung erfolgte im wohlüberlegten Rahmen einer breiten Förderung verschiedener Wissenschaften. Entscheidende Stellen hatten erkannt, daß eine hochentwickelte Wissenschaft notwendige Basis für heute kriegsentscheidende Technologien ist. Zu dieser Förderung gehört die Unterstützung von Publikationen, Tagungen, Einzelprojekten und die Einrichtung von Sommerschulen. Neben dieser Grundlagenförderung stehen zunehmend auch konkrete Projekte im Vordergrund. Erschreckende Beispiele sind zwei Projekte im Rahmen der "Strategic Computing Initiative" (SCI). Eines ist das "Battle Management System", ein Expertensystem, das in natürlicher Sprache Verantwortungsträger in der Schlacht beraten soll. Ein anderes Projekt sieht die Entwicklung eines automatischen Kopiloten vor, der in Kampfflugzeugen gesprochene Befehle verstehen und ausführen kann und auf sprachlichem Wege Warnungen und Informationen weitergibt.

Aus den Tatsachen geht hervor, daß linguistische Forschung zu Rüstungszwecken in Anspruch genommen wird. Das läuft dem Sinn verantwortungsbewußter Wissenschaft entgegen. Demzufolge sind alle Linguistinnen aufgefordert, zu prüfen, inwieweit ihre wissenschaftliche Forschung militärisch anwendbar ist und in welchem Zusammenhang ihre Arbeit organisatorisch und finanziell steht.

Deshalb wenden wir uns gegen:

  1. Mitarbeit an direkter militärischer Forschung und Produktion (wie z. B. bei der Entwicklung von natürlich-sprachlich gesteuerten Kampfsystemen) .

  2. Mitarbeit an militärischen und zivilen Projekten, deren Ergebnisse möglicherweise nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen

    Es gibt inzwischen immer mehr wissenschaftliche Erkenntnisse, die aus militärischen oder wirtschaftlichen Gründen geheimgehalten werden.

  3. Mitarbeit oder Teilnahme an Projekten, Tagungen oder Sommerschulen, die von militärischen Organisationen finanziert werden

    Bereits eine Teilnahme dient der Imagepflege militärischer Organisationen und trägt zur Akzeptanz ihres Engagements im wissenschaftlichen Bereich bei.

  4. finanzielle Unterstützung durch das Militär für linguistische Forschung selbst im Bereich der Grundlagen.

Wir lehnen jede Einflußnahme militärischer Organisationen auf linguistische Forschung ab.


Die Studentische Tagung Sprachwissenschaft (STUTS) wird seit drei Jahren halbjährlich von je einer Fachschaft organisiert. Sie wurde auf Initiative der Fachschaft Sprachwissenschaft in Hamburg begründet und dort auch das erste Mal ausgerichtet. Weitere Tagungen fanden in München, Kiel, Düsseldorf und Konstanz statt.

Die je viertägigen Tagungen geben den Studierenden sprachwissenschaftlicher Fächer Zeit und neue Anregungen, über ihre Studiensituation und die Situation ihrer Fächer zu diskutieren, Ideen darüber auszutauschen und gemeinsame Initiativen zu planen. Auf der 6. STUTS in Bonn trafen sich vom 22. bis 26.11. wieder viele Studierende bundesdeutscher Universitäten, was die Attraktivität dieser Tagung erneut deutlich machte. Es wurde in den Arbeitsgruppen u. a. über Tibeto-Birmanische Sprachen, Typologie, Indogermanistik, Patholinguistik, Fachschaft und auch über die Verbindung von Militär und Linguistik gesprochen. Dazu verabschiedete die Vollversammlung ohne Gegenstimme das oben abgedruckte Papier.


Linguistische Berichte 126/1990 / Westdeutscher Verlag

Angepasst für das Stuts.de Archiv von janwo März 2002