Stellungnahme zu einer Reform des Hochschulwesens
Ausgehend von der Überlastung der Hochschulen und der langen durchschnittlichen
Studiendauer wurden in letzter Zeit verschiedene Vorschläge zur Restrukturierung
des Studiums laut. Die
Studentische Tagung Sprachwissenschaft (StuTS)
sieht die Diskussion folgender Punkte als wichtige Grundlage für eine konstruktive Reform:
- Die von Land und Bund vorgebrachten Konzepte konzentrieren sich darauf, das
Studium mittels administrativer Maßnahmen zu verkürzen und
umzustrukturieren. Dabei stehen nicht die Lehrinhalte und Studienbedingungen im
Mittelpunkt, sondern die Effizienz der Hochschulbildung nach wirtschaftlichen und
industriellen Gesichtspunkten.
Wir halten eine Veränderung der Hochschule ohne inhaltliche, die
Studierenden einbeziehende Diskussion für unmöglich und kontraproduktiv.
- Als Anlaß der Diskussion dient die Hochschulfinanzierung. Die Hochschulen
seien zu teuer und ineffektiv. Die Reform soll Hochschulbildung besser und
billiger machen. Dieser Vorstellung liegt eine völlige Fehleinschätzung der
Situation zugrunde: In den vergangenen zehn Jahren verdoppelte sich die Zahl der
Studierenden, die Zahl der Stellen stagnierte. In der gleichen Zeit erhöhte sich
die durchschnittliche Studiendauer lediglich um zwei Semester.
Die Ausbildung verantwortungsvoller Akademikerinnen erfordert somit neue
Investitionen, nicht Streichungen von Finanzmitteln. Die Studierenden dürfen
nicht für die verfehlte Finanzpolitik der vergangenen Jahre bestraft werden.
- Das Hauptargument der Reformer ist die auf Ausbildung einer Elite fixierte
Behauptung, es gebe zu viele Studierende.
Das Recht auf universitäre Bildung darf nicht von der sozialen und finanziellen
Ausgangssituation abhängig gemacht werden.
- Viele Studierende müssen mittlerweile einen beträchtlichen Teil ihrer Zeit auf
die Sicherung ihres Lebensunterhalts verwenden. Dies führt zwangsläufig zu
einem längeren Studium.
Wir fordern daher die finanzielle Absicherung aller Studierenden durch den
Staat
- Derzeit besteht vor allem für die Studierenden in Baden-Württemberg und
Bayern keine Möglichkeit der demokratischen Mitbestimmung an den
Hochschulen. Die Beteiligung an Demokratie ist eine notwendige Voraussetzung für
die verantwortungsvolle Ausfüllung der späteren gesellschaftlichen Position
der heutigen Studierenden.
Nur eine demokratisch organisierte Hochschule wird ihrer Funktion in einer
demokratischen Gesellschaft gerecht
- Die starke Bedeutung des berufsqualifizierenden Studiums in den derzeitigen
Reformvorschlägen darf nicht auf Kosten der wissenschaftlichen Qualifikation
der Studierenden gehen. Eine Orientierung etwa der Zulassung zur Promotion
an einer möglichst niedrigen Semesterzahl anstatt an fachlicher Kompetenz ist
schlichtweg absurd.
Verantwortliche Wissenschaft kann nicht in einem schulähnlichen Studium,
sondern nur in eigenständiger Beschäftigung mit der Materie erreicht werden.
13.
StuTS,
Kiel, 20.-23. Mai 1993
vertretene Universitäten:
FU Berlin, TU Berlin, Bonn, Bordeaux, Düsseldorf, Graz,
Hamburg, Innsbruck, Kiel, Köln, Lund, Osnabrück,
Saarbrücken, Stuttgart, Trier, Tübingen, Wuppertal
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